Ist Esperanto praktisch?

Viele Sprachen haben einen gewissen praktischen Wert. Also was kann man mit der Sprache machen, wenn man sie gelernt hat oder was lernt man beim lernen der Sprache? Dieser Bedeutungs-Nuance der Frage „Warum Esperanto?“ gehe ich in diesem Artikel nach.

Vielen Menschen ist der reine praktische Wert einer Sprache wichtig, ansonsten werden sie das Investment ihrer Lebenszeit in der Erlernung einer nicht tätigen. Wir Menschen sind endliche Wesen, wir alle werden irgendwann einmal sterben, daher hat diese Frage eine Existenzberechtigung.

Im folgenden werde ich ein paar praktische Punkte aufzählen die man durch das Erlernen von Esperanto hat. Diese Punkte sind nicht als perfekte Wahrheiten zu verstehen, sondern nur als Eigenschaften die Esperanto hat. Mir ist bewusst, dass viele Punkte davon auch auf andere Sprachen zutreffen.

Internationale Kontakte

Esperanto teilt wie viele andere Sprachen auch, dass wenn man sie erlernt hat, man befähigt ist, sie zu sprechen. Im Unterschied zu den meisten Sprachen aber findet man Sprecher außerhalb der Länder wo die gewählte Sprache normalerweise gesprochen wird. Ein Phänomen was Esperanto mit anderen Weltsprachen wie Spanisch, Französisch, Englisch, Russisch und Chinesisch teilt.

Teilhabe an einer internationalen Subkultur

Die Sprachgemeinde der Esperanto-Sprecher schreibt seit Beginn der Benutzung der Sprache Bücher, komponiert Musik und veranstaltet regelmäßig Treffen auf der ganzen Welt, sowohl online als auch offline. Es gibt mehrere Zeitschriften die auf Esperanto veröffentlichen, Podcasts und internationale Vereinigungen durch die man zu anderen Sprechern in Kontakt treten kann.

Für Leute die nicht nur Kultur konsumieren wollen, sondern auch sie schaffend gestalten kann das bedeuten, dass wenn die eigene Kultur oder die Kultur der Sprachen die man spricht keinen Platz für den eigenen Ausdruck, man sich in dieser „parallelen Welt“ künstlerisch neu erfinden kann.

Gefühl der Gleichberechtigung

Wenn man mit anderen Leuten sich nicht in seiner Muttersprache unterhält gibt es mit Muttersprachlern immer ein gewisses Ausdrucksgefälle. Man selbst kann sich nicht auf dem gleichen Niveau unterhalten wie sein Gegenüber. Selbst wenn man die gesprochene Sprache schon sehr gut spricht, wird es Ecken geben wo man hinterher hinkt.

Und daher zwar im Gespräch sich selbst neutral wahrnimmt, aber weil man ein paar Ausdrucksweisen falsch verwendet, falsch ausspricht, einen Accent hat, usw. immer etwas fehlplatziert aus der Sicht eines Muttersprachlers wirkt. Im schlimmsten Fall erscheint man als dumm und bekommt deswegen die schlechtere Arbeit, weil man sein Gegenüber von seiner eigenen tatsächlichen Kompetenz überzeugen kann.

Als Antwort darauf kann man natürlich versuchen zu fordern, dass diese halb bewusste Bewertungen das Gegenüber unterlassen sollte. Eine andere Alternative ist wenn beide Sprecher sich in einer Sprache unterhalten, wo beide sich die Arbeit machen mussten, diese zu erlernen.

Leichterer Einstieg in die Mehrsprachigkeit

Esperanto ist durch seine vereinfachte Grammatik leichter zu erlernen als andere natürliche Sprachen. Was besonders interessant ist für Menschen die bei frühere Versuche eine Sprache in Schule oder Studium zu erlernen in Fähigkeiten verunsichert wurden.

Denn die Hürden die vorher erschwerend hinzu gekommen sind, fehlen jetzt oder sind überschaubarer. Weshalb sich erste Erfolge schneller einstellen als bei anderen komplexeren Sprachen.

Besseres Selbstwertgefühl bezüglich Sprache

In Folge stellt sich ein Gefühl ein, dass man sich in der Sprache, die man spricht gut genug auskennt. Was natürlich ein Gefühl ist, was nicht jeder Mensch teilt. Menschen die schon viele Sprachen kompetent sprechen und nie das Problem gehabt haben neue zu erlernen, werden diese Zeilen fremd sein.

Ich selbst habe durch die Grammatik von Esperanto mich selbstsicherer gefühlt eine andere Sprache zu lernen und diese auch zu verstehen. Daneben hatte ich das erstemal das Gefühl meine eigene Muttersprache besser zu verstehen, weil teilweise Wort-Konstruktionen die vorher als Faktum präsentiert wurden leichter sichtbar und daher verstehbarer für mich waren. Ich spreche zwar nicht so viele Sprachen wie mir das lieb wäre, aber Esperanto hat mich von meinem Pessimismus je eine andere Sprache zu erlernen geheilt.

Vorbereitung für erste lebende Fremdsprache

Historisch wurden mehrere Experimente unternommen Schulkindern zuerst Esperanto beizubringen, bevor eine weitere Schulsprache beigebracht wurde. Und durch die Verwendung von Esperanto konnte die darauf folgende Sprache, schneller elernt werden als wenn die zweite Sprache anstatt Esperanto als erste zweite Fremdsprache erlernt wurde.

Dieser vorbereitende Effekt (propädeutische Effekt) wurde bei anderen Sprachen wie zB. Latein ebenfalls beobachtet. Er ist also kein Alleinstellungsmerkmal von Esperanto. Aber durch die einfachere Erlernbarkeit der Sprache selbst kann man sich diesen Effekt früher bedienen als bei komplexeren Sprachen.

Konklusion

Es gibt mehrere praktische Gründe, die jemand in Betracht ziehen kann um sich Esperanto anzuschauen, da unterscheidet sich die Sprache nicht sonderlich von anderen natürlichen Sprachen.

Der einzige Unterschied, gegenüber den großen Sprachen[1] ist, dass diese von weit mehr anderen Sprechern gesprochen werden. Und daher auf den ersten Blick praktischer sind. Nur was nützt einem zB. Spanisch, wenn man niemanden kennt der die Sprache spricht, mit dem man reden wollen würde? Oder man kein Interesse an den Ländern oder der Kultur hat, die es um Spanisch gibt?

Daher kann eine derartige Betrachtung von genug Menschen als die einzig richtige praktische Überlegung angesehen werden einer dieser Sprachen zu lernen, aber es muss nicht die einzige praktische Überlegung sein, anhand der man eine Sprache für sich auswählt.

Jede Person entscheidet für sich selbst, warum sie was macht.